Ballonpost / Ballon Monte

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Postverbindungen des belagerten Paris 1870/71

Es war im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Deutsche Truppen hatten einen festen Belagerungsring um Paris geschlossen, die französische Hauptstadt war eingekesselt. Einzige Verbindung zur Außenwelt: Briefe, die auf abenteuerliche Weise befördert wurden.

Am 19. Juli 1870 war der Krieg zwischen Deutschland und Frankreich erklĂ€rt worden. Im September hatten die Preußen Kaiser Napoleon III. nach der Schlacht bei Sedan gefangen genommen. Die Pariser zwangen Kaiserin Eugenie zur Flucht nach England und riefen die Republik aus. Am Abend des 19. September 1870 sprengten sie die letzten drei BrĂŒcken. Ein eiserner preußischer Belagerungsring mit 122000 Mann und 24000 Kavalleristen zog sich 83 Kilometer um Paris, nun die grĂ¶ĂŸte Festung der Welt mit mehr als zwei Millionen Menschen. Zu spĂ€t hatte man Vorbereitungen gegen die Belagerung der Hauptstadt getroffen. Gerade noch rechtzeitig konnte der Turm der Telegrafenverwaltung in der Rue de Grenelle zur zentralen Brieftaubenstation hergerichtet werden. Auf dem Flussgrund der Seine verlegte man ein Unterwasser-Telegrafenkabel, das jedoch schon nach wenigen Tagen von den Preußen entdeckt und zertrennt wurde.

Kontakte zur Welt Brieftauben waren eine Methode zur Beförderung von Nachrichten – wobei nur rund 50 von ĂŒber 350 Vögeln zurĂŒckkehrten. Doch mit Hilfe einer neuen fotografischen Technik gelang es, bis zu 3200 Telegramme auf ein hauchdĂŒnnes KollodiumhĂ€utchen zu ĂŒbertragen und so bis zu 40000 Botschaften mit einer Taube zu befördern.

Die Mikrofilme wurden spĂ€ter per Laterna magica vergrĂ¶ĂŸert, abgeschrieben und den EmpfĂ€ngern zugestellt.

Ähnlich abenteuerlich verlief die Briefbeförderung durch „Schwimmkugeln“: Kugeln aus Zink mit HohlrĂ€umen, die bis zu 600 UmschlĂ€ge enthielten und unter der WasseroberflĂ€che durch die Seine trieben, bis man sie in Paris mit einem Netz auffangen sollte. Diese „Unterwasserpost“ wurde ab 6. Dezember 1870 von der Pariser Postverwaltung ĂŒbernommen. Doch nur wenige der Belege mit Vermerk „par Moulins“ erreichten auf diesem Weg die EmpfĂ€nger. Manche Postkugel wurde erst im Lauf des 20. Jahrhunderts entdeckt, die Mehrheit blieb verschollen.

Aber war nicht Frankreich das Pionierland, in dem 1783 die ersten „MontgolfiĂšren“ mit Hilfe heißer Luft in die Luft stiegen? Startete nicht im September 1783 in Versailles unter den Augen von König Ludwig XVI. ein Ballon mit Schaf, Huhn und Ente als ersten Passagieren, am 21. November 1783 bei Paris gefolgt vom ersten bekannten Ballonflug eines Menschen? Und hatte nicht Jules Verne 1863 in seinem Roman FĂŒnf Wochen im Ballon die Begeisterung fĂŒr die Aeronautik neu entfacht?

TatsĂ€chlich konnten sich die Ballons bei der Postbeförderung aus Paris erfolgreich profilieren. Von insgesamt 67 Ballonaufstiegen aus der umschlossenen Festung waren 55 offiziell fĂŒr Postbeförderung vorgesehen. Vereinzelt hatten auch die ĂŒbrigen Ballons persönliche Briefe an Bord. Das Höchstgewicht betrug vier Gramm, daher wurden oftmals nur eng beschriebene Briefbogen aus Seidenpapier verschickt. Neben den Briefen kamen Zeitungen im Miniaturformat zum Versand, um Nachrichten aus der Stadt zu verbreiten. In den Postladungen zwischen vier und 450 Kilogramm haben schĂ€tzungsweise insgesamt rund 2,5 Millionen Belege Paris auf dem Luftweg verlassen. Nur ein winziger Bruchteil davon ist erhalten geblieben. Teils sind sie kaum als Ballonpost erkennbar, doch viele tragen handschriftlich den Vermerk „par Ballon montĂ©â€œ. Anhand von Stempeldaten, Ankunft- oder Transitstempeln ist die Zuordnung weitgehend möglich. GĂŒnther Heyd hat ĂŒber Jahrzehnte die Ballonfahrten rekonstruiert und die wichtigste Literatur zu diesem Kapitel der Postgeschichte zusammengestellt. Seine persönliche Studienkollektion kommt nun neben anderen Seltenheiten vom bis 25. September im Kurhaus Wiesbaden beim Briefmarken-Auktionshaus Heinrich Köhler Angebot. Enthalten sind rund 110 Belege „par Ballon montĂ©â€œ zu 60 Ballonfahrten, darunter einige RaritĂ€ten und ungewöhnliche Exemplare, die wir hier erstmalig vorstellen können. (...)